Quantitative Sozialforschung
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Text Nr. 1

Fünf Erkenntnisse zur Soziologie der Globalisierung

(1) Interconnectedness: Die erste Reaktion des Mainstream bestand in der Leugnung der Realität oder Relevanz der (wirtschaftlichen) Globalisierung und in der Behauptung, alles, was von den Sozialwissenschaften unter "Globalisierung" verstanden werde, sei, historisch gesehen, keineswegs neu. Diese Leugnung des Phänomens verlor an Glaubwürdigkeit, als Sozialwissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen die Globalisierungsphänomene einer begrifflichen Analyse zu unterziehen und in die theoretische und empirische Semantik der Sozialwissenschaften zu integrieren begannen. Dank dieser Klärung setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine neue Landschaft von Gesellschaften im Entstehen ist. Zu ihren maßgeblichen Eigenschaften gehören die weltweite wechselseitige Beziehung und Abhängigkeit der Menschen: interconnectedness; wachsende Ungleichheit auf globaler Ebene; die Entstehung überstaatlicher Organisationen im Wirtschaftssektor (grenzüberschreitende Kooperationen), in der Politik (nicht-staatliche Akteure wie Internationaler Währungsfonds, Weltbank, Welthandelsorganisation, Internationaler Gerichtshof) und in der Zivilgesellschaft (Engagement für weltweit operierende soziale Bewegungen wie Amnesty International, Greenpeace, feministische Organisationen, Attac); neue normative Regeln wie Menschenrechte, neue Arten und Profile globaler Risiken (Klimaveränderung, finanzpolitische Gefahren und Turbulenzen), neue Formen des Krieges, des global organisierten Verbrechens und des Terrorismus.

(2) Kosmopolitisierung: Es zeigten sich wichtige sozialwissenschaftliche Konsequenzen dieser Entwicklung, deren gemeinsamer Nenner "Kosmopolitisierung" heißt. Welche Erkenntnis ist damit gemeint? "Kosmopolitisierung" bedeutet (a) die Durchlässigkeit eindeutiger Grenzen, welche die Märkte, Staaten, Zivilisationen, Religionen, Kulturen, Lebenswelten gewöhnlicher Menschen trennen, und als deren oft ungesehene Nebenfolge (b) die unfreiwillige Konfrontation mit dem fremden Anderen überall auf der Erde. Die Welt ist heute gewiß nicht "grenzenlos", aber diese Grenzen sind unscharf geworden – durchlässig für die Ströme von Information, Kapital und Risiken, weniger dagegen für Menschen (Touristen ja, Migranten nein). Was natürlich nicht heißt, dass jeder zum "Kosmopoliten" wird. Häufig scheint das Gegenteil der Fall zu sein: In vielen Teilen der Welt erleben wir eine Welle der Renationalisierung und Reethnisierung. Doch gleichzeitig bedeutet es auch, dass ein neuer Bedarf an einer "Hermeneutik des fremden Anderen" entsteht – im Alltag wie in der Wissenschaft -, damit wir in einer Welt leben und arbeiten können, in der gewaltsame Spaltungen und nie dagewesene Vermischungen nebeneinander bestehen und in der Gefahren und Chancen miteinander wetteifern.

(3) Soziale Gleichheit wird zu einer weltweiten Erwartung: Zum Problem, zum Konfliktstoff werden soziale Ungleichheiten nicht, weil die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, sondern dann und nur dann, wenn sich anerkannte Gleichheitsnormen und Gleichheitserwartungen – Menschenrechte – ausbreiten. Wer die politische Wirksamkeit sozialer Ungleichheiten verstehen will, muß nach der Geschichte der sozialen Gleichheit fragen.

(4) Legitimation: Das Leistungsprinzip legitimiert nationale Ungleichheit, das Nationalstaatsprinzip legitimiert globale Ungleichheit (in anderer Form). Wie? Nationale Grenzen trennen scharf zwischen politisch relevanter und irrelevanter Ungleichheit. Ungleichheiten innerhalb nationaler Gesellschaften werden in der Wahrnehmung enorm vergrößert; gleichzeitig werden Ungleichheiten zwischen nationalen Gesellschaften ausgeblendet. Die "Legitimation" globaler Ungleichheiten beruht also auf institutionalisiertem Wegsehen. Der nationale Blick "befreit" vom Blick auf das Elend der Welt. Und daran ist die Ungleichheitssoziologie beteiligt, insoweit auch sie soziale mit nationalen Ungleichheiten gleichsetzt (Kritik des methodologischen Nationalismus).

(5) Neue Konfliktlinien: Zu einem wichtigen Stratifizierungsfaktor im globalen Zeitalter sind die Möglichkeiten oder Fähigkeiten grenzüberschreitender Interaktion und Mobilität geworden. Dies schließt natürlich Ressourcen aller Art ein – Pässe, Bildungspatente, Sprachen, Geld, also kulturelles, soziales und ökonomisches Kapital. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die nicht über die Fähigkeiten und Möglichkeiten solcher grenzenübergreifender Interaktion verfügen und sich daher über eine existentiell bedrohte Nationalität definieren. Der Grund für die Renationalisierung ist wohl in den Bevölkerungsteilen zu suchen, die sich in diesem Sinne als Verlierer der Europäisierung und Globalisierung erleben.


Text Nr. 2nach oben

Die fünf wichtigsten Erkenntnisse der Soziologie

1. Das zentrale Ordnungsniveau wird von Geist auf Gesellschaft umgestellt.

Über soziale Ordnung wird schon länger nachgedacht. Eine spezifische soziologische/sozialwissenschaftliche Denkweise beginnt in einer Linie von Hegel über Marx bis Weber mit der grundlegenden Erkenntnis, die Selbstbewegung einer übergreifenden Ordnung von Geist als Selbstentfaltung eines Prinzips oder eines zentralen Sinns auf Gesellschaft im Sinne einer Selbstbewegung durch praktische menschliche Tätigkeit umzustellen. Dies erst ermöglicht es, gesellschaftliche Tätigkeit selbst als Motor der Geschichte anzusetzen und nicht jene als bloße Entäußerung dieser.

Daraus entwickeln sich die nächsten beiden zentralen Erkenntnisse:

2. Die Entpolitisierung des Gesellschaftsbegriffs

Hat sich der Gesellschaftsbegriff im Sinne der "sozialen Frage" und der Hegelschen "bürgerlichen Gesellschaft", aber auch im Sinne der Hobbesschen und Rousseauschen politischen Philosophie zunächst als politischer Begriff, als "Arena" bewährt, emanzipiert sich der Gesellschaftsbegriff von seiner politischen Genese hin zu einem empirischen Begriff als höchstes oder umfassendstes Ordnungsniveau des Sozialen. Aus der Entpolitisierung des Gesellschaftsbegriffs folgt schon aus logischen Gründen die Ersetzung eines nationalstaatlich regionalisierten Gesellschaftsbegriffs zur Weltgesellschaft als empirischem Phänomen. Leider hat gerade diese Erkenntnis dazu geführt, in der Globalisierungsdiskussion und mit der "Kosmopolitisierung" des Gesellschaftsbegriffs theoretisch regressiv die grundlegende empirienahe Erkenntnis einer Entpolitisierung des Gesellschaftsbegriffs wieder zu verspielen.

Die Entpolitisierung des Gesellschaftsbegriffs ermöglicht zugleich eine differenzierungstheoretische Perspektive auf Gesellschaft. Eine – im modernen Falle – funktional differenzierte Gesellschaft ist dann eine Gesellschaft, in der das politische System nur ein Funktionssystem unter anderen ist.

3. Bewusstein ist nicht Voraussetzung, sondern Folge des Handelns.

Wie mit dem Gesellschaftsbegriff die Geschichte entsubjektiviert wurde, wird mit dem Handlungsbegriff auch das Verhältnis von Akteur und Aktion umgekehrt – zumindest mit Handlungsbegriffen, die in der Lage sind, dies explizit zu tun. Deutlich ist dies in der Tradition Meads, von dem der Satz dieser dritten These stammt, die in je eigener, bisweilen radikal unterschiedlicher Weise von Parsons, Luhmann, Habermas, Foucault, der Ethnometodologie und auch Bourdieu fortgeführt wird. Aber selbst ein in Webers Tradition stehender Handlungsbegriff enthält mehr Elemente einer solchen Umkehrung als die Soziologie sich meist zu wissen zumutet. Stattdessen bleibt es oft bei der Wiederholung der Alltagstheorie der Zurechnung auf Subjekte, statt sich die Erkenntnis der Subjektivierung durch Praxis statt der Subjektivierung der Praxis zuzumuten.

4. Umstellung von Handlung auf Kommunikation

Aus der Erkenntnis einer Dezentrierung des Handlungssubjekts und einer Umkehrung des Verhältnisses von Bewusstsein und Handlung folgt zugleich die Umstellung von Handlung auf Kommunikation. Unter Kommunikation ist dabei nicht die (sprachliche) Übertragung von Informationen zu verstehen. Kommunikation meint hier das Nacheinander von Ereignissen, den Anschluss von Ereignissen, der erst in seinem Nacheinander jene Struktur hervorbringt, in der neue Ereignisse möglich sind. Ob diese Ereignisse Handlungen, Kommunikationen oder kommunikative Handlungen heißen, spielt letztlich keine Rolle. Die Umstellung von Handlung auf Kommunikation jedenfalls betont den praktischen Aspekt der prozesshaften Entstehung von Bedeutung und Struktur. Die beiden Protagonisten dieser Umstellung von Handlungs auf Kommunikation sind Habermas mit seiner Einsicht in die kommunikativer Herstellung von Bedeutung und der Situierung der Vernunft in den Prozess kommunikativen Handelns sowie Luhmann mit seiner radikalen Temporalisierung sozialer Ereignisse, deren grundlegender Bedeutungsgenerator das Nacheinander von Ereignissen ist.

5. Soziale Wirklichkeit ist konstruiert.

Diese grundlegende Erkenntnis bildet letztlich die Geschäftsgrundlage für anspruchsvolles soziologisches Denken. Die Konstruiertheit der sozialen Wirklichkeit stellt darauf ab, dass das, was gesellschaftlich als real behandelt wird, dadurch real wird, dass es als real behandelt wird. Die bekannteste Ausprägung dieser Erkenntnis ist das Thomas-Theorem: "Wenn die Menschen Situationen als real definieren, dann sind sie in ihren Folgen real" (1932). Dieser Definitionsprozess darf jedoch nicht als kognitive Operation missverstanden werden, sondern muss als Ergebnis sozialer Operationen gedeutet werden, in denen dann erst kognitive Prozesse jene Realitäten perzipieren, die sie für real halten. Das größte Missverständnis in der Rezeption des soziologischen Konstruktivismus besteht bisweilen darin, konstruierte Realitäten für weniger stabil oder wirkmächtiger zu halten – als gäbe es in der sozialen Welt noch andere Realitäten. Es sollte also nicht nur die "gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit" (Berger/Luckmann) in Betracht gezogen werden, sondern auch die "Wirklichkeit gesellschaftlicher Konstruktionen".

Zusatz

Jenseits der Soziologie besteht die wichtigste wissenschaftliche Erkenntnis überhaupt darin, dass es gelungen ist, die Namen aller Sterne herauszubekommen.


Text Nr. 3nach oben

Einsichten der Soziologie:

1) Sozialer Wandel vollzieht sich auf zwei nur z.T. interdependenten Ebenen: der Ebene der (Makro-) Tendenzen (= kaum durch intendiertes Akteurhandeln beeinflussbar) und der (intermediären) Eben der durch strukturbildenden Handeln spezif. Akteure (und deren Wechselwirkungen) hervorgerufenen Options-Situationen und den darauf bezogenen Entscheidungen. In diesen Schnittfeldern ist der größte Teil der soziologischen Fragestellungen und Erkenntnisse angesiedelt.

2) Die Pfadabhängigkeit der Handlungsoptionen von sozialen Akteuren in Entscheidungssituationen ist ein (nahezu ausschließlicher) zentraler Erkenntnis –und Erklärungszusammenhang von soziologischen Perspektiven.

3) Die zunehmende Vermarktlichung sozialer Prozesse führt zu einer tendenziell größeren Relevanz mechanismischer Erklärungen in der Soziologie.

4) Die zunehmende Akzeptanz sozialtheoretischer Perspektiven führt möglicherweise zr allmählichen Aufgabe der Erklärung als Achse soziologischen Denkens und damit auch zur zunehmenden Diffusität der Konturen soziologischer Analyse.


Text Nr. 4nach oben

Zentrale Einsichten der Soziologie? Zwei kommen mir in den Sinn:

1. Die (Marxsche) Theorie des Wandels durch Konflikt. Neue (Produktiv-)Kräfte gedeihen nicht unter alten (Produktions-)Verhältnissen. Es bilden sich Konfliktgruppen, die den Status quo bekämpfen, um ihre eigenen Verhältnisse zu schaffen.

2. Die (Webersche) Theorie der Ursprünge des Kapitalismus. Eine Zeit des Sparens und somit der Investition hat kulturelle und politische Voraussetzungen. Historisch war die Ethik des Verzichts, der deferred gratification (die protestantische Ethik Calvinscher Prägung) besonders wirksam.

Beide Theorien sind partiell falsch (und hier schon umformuliert), aber deshalb nicht minder fruchtbar.


Text Nr. 5nach oben

Umfrage

Fünf Erkenntnisse aus der Soziologie

Robert Michels

Das "eherne Gesetz der Oligarchie" ist ein frühes Beispiel für die Notwendigkeit der Soziologie als Sozialwissenschaft. Auch wenn man demokratische Strukturen möchte, kommt etwas anderes heraus.

Robert K. Merton

Der Funktionalismus war ja extrem einflussreich, bei Merton versteht warum. Manifeste und latente Funktionen, unintendierte Konsequenzen, Devianz.

George C. Homans

Soziologie als empirische Wissenschaft (hypothesengestützt) und "reduktionistisch". Begründung des methodologischen Individualismus.

Peter M. Blau

Austauschtheorie angewandt auf soziale Prozesse. Später auch Einflüsse von Populationsdemographie auf soziale Prozesse.

James S. Coleman

Grundlegung einer individualistischen Sozialtheorie mit vielen Implikationen etwa zu den zwei Seiten von Sozialkapital.


Text Nr. 6nach oben

Hinsichtlich rein soziologischer Erkenntnisse sehe ich die Schwierigkeit insbesondere sozialpsychologische Grundlagen davon zu trennen. Im Zusammenhang mit der Mikrofundierung soziologischer Forschung werden oft sozialpsychologische Theorien nicht nur als Randbedingungen verwendet, sondern auch modifiziert. Zentrale Einsichten interpretiere ich darüber hinaus im Sinne von allgemeinen Grundlagen.

  • Die Definition der Situation:
    Die Grundidee, wonach Menschen auch aufgrund von Bedeutungen handeln und dies auf die soziale Wirklichkeit Einfluss nimmt, ist eine notwendige Ergänzung der Wirkung von materiellen Restriktionen auf das Handeln. Die Vorstellung, dass in die soziale Wirklichkeit auch Konstrukte einfließen, ermöglicht es, die Ursachen von "Irrationalitäten" (Pareto) sozialen Handelns und sozialer Ereignisse systematisch zu untersuchen und zu verstehen. Exemplarisch wird dies in der Rekonstruktion des New Deal in den 20er Jahren in den USA deutlich (Merton, überarbeitet Boudon). Die theoretische Figur der selbsterfüllenden Prognose verdeutlicht die Dynamik zwischen Definition und Restriktion.
  • Sozialisation:
    Diese Idee ermöglicht das Verständnis für die nachhaltige Wirkung von kulturellen Bedingungen auf das Denken und Handeln von Menschen. Sie ist eine grundlegende Idee der Sozialwissenschaften, weil mit ihr begründet werden kann, dass menschliches Handeln nicht lediglich der mechanische Vollzug genetischer Programme ist, sondern aus der Eigenmacht sozio-kultureller Bedingungen die innere Organisation des Menschen nachhaltig verändert wird. In der Soziologie spielen dabei, im Unterschied zur Pädagogik unintendierte Sozialisationseffekte und die unintendierten Folgen intendierter Sozialisation eine besondere Rolle. Modelle der Internalisierung sozialer Werte und Normen und ihres selbstbelohnenden Effekts ermöglichen es, das soziale Wirkungspotential bei der Konstituierung des sozialen Menschen zu erkennen. Exemplarisch wird dies in der Entstehung und Wirkung von Klassenkulturen und Milieus deutlich sowie in kulturellen Konflikten.
  • Kollektivgutproblematik:
    Theorien über die Herstellung und die Konsumtion kollektiver Güter haben wichtige Einsichten in das Wirken von Wirtschafts- und gemeinnützigen Organisationen gebracht. Mit diesen Theorien ist die systematische Analyse von Prozessen möglich, welche den Bestand kollektiver Güter bedrohen sowie die Entstehung und Erhaltung solcher Güter fördern. Das Trittbrettfahrerproblem, das Kontrollproblem und das Allmendeproblem ermöglichen spezifische Analysen zur Entstehung und Erhaltung von Kollektivgütern.
    Die Modellierung der natürlichen Umwelt und des Verhältnisses zu ihr als Kollektivgut hat z.B. Möglichkeiten eröffnet, auf das Handeln von Menschen durch die Setzung von Anreizen Einfluss zu nehmen. Ebenso können soziale Probleme der Demokratieerhaltung, Bildung und Gesundheit im Rahmen der Kollektivgutproblematik formuliert und analysiert werden.
  • spontane Ordnungen (unintendierte Folgen intendierten Handelns):
    Dass intendiertes Handeln zu unintendierten Effekten führt (führen kann), bringt generelle Einsichten in den Wandel sozialer Aggregate und die Entstehung und den Wandel sozialer Ordnungen. Diese Vorstellung, wonach die Folgen menschlichen Handelns Aggregationsprozessen unterliegen, die oft nichts mit ihren Intentionen zu tun haben, eröffnet die Möglichkeit Gesellschaft ohne transzendente Mächte zu erklären. Diese Entdeckung hat die Sozialwissenschaften säkularisiert: Gesellschaft entsteht in einem beträchtlichen Umfang aus unintendierten Folgen menschlichen Handelns. Beispielhaft hat Axelrod gezeigt, dass die Entstehung stabiler Kooperationen empirisch nachweisbar ist und keine transzendenten Vorannahmen (etwa genetische oder zum Wesen des Menschen) dazu nötig sind.
  • Rationalisierung:
    Diese theoretische Vorstellung bietet die Möglichkeit, gesellschaftliche Veränderungen in der westlichen Welt als Bestandteil eines Wandlungsmusters zu interpretieren. In diesem Zusammenhang werden zahlreiche Erscheinungen wie abnehmende Religiosität, Verrechtlichung, Ökonomisierung nahezu aller gesellschaftlichen Bereiche, Tendenzen des Konsumverhaltens usw. verstehbar und erklärbar.

Text Nr. 7nach oben Rolf Ziegler, Universität München

Die Frage ist wirklich nicht leicht zu beantworten, denn sie wirft sofort eine Fülle von Nachfragen auf, von denen ich einige – keineswegs systematisch – auflisten möchte:

  1. Sollen diese Erkenntnisse völlig neu sein, dass sie also niemals vorher – auch nicht in ähnlicher Form oder von einem "Nicht-Soziologen" – gefunden worden sind?
  2. Was heißt "fundamental"?
  3. Sind damit nur Antworten und Lösungen oder auch (noch ungelöste aber wichtige) Fragen und Probleme gemeint?
  4. Handelt es sich um rein "kognitive" Erkenntnisse oder geht es auch um deren Anwendung und Umsetzung?
  5. Für wen sind diese Erkenntnisse relevant (oder sollten es sein)? Für die Profession, für den intellektuellen Diskurs, für die Politik oder Wirtschaft, für die allgemeine Öffentlichkeit etc.?
  6. Werden die "Erkenntnisse" von dem Adressatenkreis zur Kenntnis genommen und anerkannt?
  7. Sollen auch die institutionellen Voraussetzungen einer "Erkenntnisproduktion" angesprochen werden?

Ich habe diese Nachfragen bei meiner Liste eher weit als eng ausgelegt. Sie erscheint daher möglicherweise heterogen und beschreibt sowohl "Erkenntnisse" im engeren Sinn als auch m.E. wichtige offene Fragen, methodologische Probleme und Anwendungsprobleme sowie die organisatorischen Voraussetzungen einer "Wissensproduktion".

  1. Aufgabe der Soziologie (oder allgemeiner der Sozialwissenschaften) ist die Beschreibung und Erklärung sozialer Phänomene. Erklärung ist aber nur mit Hilfe nomologischer (probabilistischer) Gesetzmäßigkeiten möglich. Diese Gesetzmäßigkeiten beziehen sich auf das Verhalten individueller Akteure und ihre sozialen Einbindung. Die Aussagen der Soziologie müssen "empirisch gehaltvoll" und methodisch kontrolliert überprüfbar sein.
    Auch wenn diese methodologische "Erkenntnis" den Verzicht auf die Suche nach "Makrogesetzen" bedeutet, so stellt sich damit das (im jeweils konkreten Fall) zu spezifizierende und zu lösende Mehrebenenproblem.
    Zwar soll der deskriptive und heuristische Wert vieler Orientierungshypothesen und Typologien nicht bestritten werden, aber es sollte nicht das letzte Ziel sein, noch eine post-postmoderne, globalisierte Gesellschaftsversion zu entwickeln und mit Beispielen zu illustrieren, sondern möglichst präzise Aussagen zu formulieren und zu überprüfen.
  2. Vor allem von Vertretern des Rational-Choice-Ansatzes wurden eine Vielzahl von unterschiedlichen "sozialen Dilemmata" herausgearbeitet, die "idealtypisch" bestimmte soziale Konstellationen kennzeichnen (z.B. "the tragedy of the commons", das Phänomen der Verantwortungsdiffusion, die Bindungsmechanismen zur Lösung des Vertrauens¬problems, das second order Problem bei der Sanktionierung sozialer Normen u.ä.m.).
    Mit Hilfe von Labor- und Feldexperimenten lassen sich die unterstellten Verhaltensannahmen und relevanten Randbedingungen testen. Man kann durch diese "Erkenntnisse" empirisch geprüfte Interdependenz- und Verhaltensmodule gewinnen, die Bestandteil komplexerer Modelle für die "realitätsnähere" Beschreibung und Erklärung sozialer Phänomene sein können.
  3. Ein dabei wichtiges, m.E. bisher ungelöstes Problem ist die kausale Erklärung der Entstehung und Veränderung von "common knowledge".
    Zu Recht wird von den eher geisteswissenschaftlich orientierten Soziologen auf die "soziale Konstruktion der Realität", die Bedeutung kultureller Definitionen und Normen verwiesen. Wie aber kann man kausal erklären, dank welcher Mechanismen diese Konstruktionen gemeinsam geteiltes Wissen ("conscience collective") in einer Teilgruppe oder der Gesamtgesellschaft werden und was ist damit präzise gemeint?
  4. Beispiele für wichtige, auch praktisch relevante Erkenntnisse finden sich in den Forschungen über den demographischen Wandel, seine Ursachen und Folgen, den Untersuchungen über die Folgen der Migration und der ethnischen und kulturellen Pluralität, generell über die Ursachen und Konsequenzen sozialer Ungleichheit, sowie die sozialen Ursachen von Kriminalität.
    Leider sind diese Bereiche auch ein Beispiel dafür, dass die Ergebnisse solcher für die (langfristige) gesellschaftliche Entwicklung bedeutsamer Forschungen nicht (oder nicht rechtzeitig) zur Kenntnis genommen werden.
  5. Die Bereitstellung und Weiterentwicklung von validen und reliablen empirischen Erhebungsmethoden (auch für Bevölkerungsumfragen) sowie der Aufbau und die Erhaltung einer Dateninfrastruktur, die der Wissenschaft zur Verfügung steht, sind "fundamentale", nicht immer als selbstverständlich angesehene Voraussetzungen für die Produktion soziologischer Erkenntnisse.
    Bei allem Unfug, der insbesondere mit Meinungsumfragen getrieben wird, bedeuten solche Forschungsinstrumente einen wesentlichen Fortschritt. Erstens zwingen sie die öffentlichen Akteure, ihre Vorstellungen über Sachverhalte zu begründen, und zweitens liefern sie notwendige Informationen für die Gestaltung und Überprüfung von Maßnahmen und Regulierungen.
    Der Aufwand für die Errichtung und den Unterhalt von Datenbanken (Beispiele sind der ALLBUS, das SOEP, das Betriebspanel des IAB, das Bildungspanel und die dafür notwendigen Organisationsstrukturen wie z.B. GESIS) ist durch einzelne Forscher oder Forschergruppen nicht zu leisten. Mit diesen Daten können aber viele Wissenschaftler wichtige Fragestellungen untersuchen. Der (weitgehend) unbeschränkte Zugang ermöglicht auch die methodische und inhaltliche Kontrolle von Forschungsergebnissen durch Replikationen.

Text Nr. 8nach oben

Ich bitte aber um Verzeihung, dass ich mich nicht ganz an das Frageformat gehalten habe. Auch habe ich Forschungen aufgeführt, die nicht von Soziologen, sondern aus Nachbarwissenschaften stammen (Axelrod, Olson, Schelling). Mein Kriterium ist, dass die Erkenntnisse in der Soziologie ein großes Echo gefunden haben, zahlreiche empirische und andere Forschungen hervorgerufen haben und jeweils Beginn  oder "Meilenstein" eines Forschungsprogramms waren. Natürlich ist die Liste nicht vollständig und mir fällt es auch schwer, Prioritäten zu setzen (die Zahlen sind keine Prioritäten, die Reihenfolge ist chronologisch):

Erkenntnisse aus klassischen Studien:

  1. Marx zentrale These: Das Spannungsverhältnis ("der Widerspruch") zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen führt zu gesellschaftlichen Umwälzungen. (In moderner Diktion der Konflikt zwischen neuer Technologie und  institutioneller Ordnung.) Ironischerweise passt die These besonders gut auf die Umwälzungen 1989.
  2. Durkheims "Selbstmord"
  3. Max Webers "Protestantismusthese"
  4. Robert Michels "Gesetz der Oligarchie"
  5. Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel, Marienthal. Die Erkenntnisse über die Folgen von Arbeitslosigkeit.
  6. Robert K. Merton über "self-fulfilling prophecies”

Aus modernen Studien

  1. Coleman, die Idee des Kontexteffekts in Schulen (Equality of Educational Opportunity) mit zahlreichen Folgestudien und Auswirkungen auf die Forschungen über Sozialkapital.
  2. Schellings Segregationsmodell als eine der ersten, weitreichenden Forschungsarbeiten über Mikro-Makro, lokale Interaktionen und emergente Effekte.
  3. Olsons Logik kollektiven Handelns. (Die Erkenntnis, dass Gruppeninteressen nicht automatisch realisiert oder angestrebt werden und das darauf aufbauende Forschungsprogramm)
  4. Axelrods Evolution der Kooperation (und das Forschungsprogramm der Kooperations- und Dilemmaforschung)
  5. Der Einfluss sozialer Netzwerke auf ökonomische Transaktionen (stellvertretend für viele als eine der ersten empirischen Studien Di Maggio und Louch, Socially embedded consumer transactions)

Text Nr. 9nach oben

I think the area of socio-economics or economic sociology provided really fruitful interpretations of real economic activities under globalization, which many people interpret that markets, characterized by the equilibrium between demand and supply, have the strongest influence on people’s economic behavior. "What constitute economic activities or even markets?” is an important question. Now, especially under the global financial crisis, to really understand proper ways of organizing economic activities, policies and social activities is becoming the utmost importance to the real global development. Concepts are as follows:

  1. Embeddedness Argument by Mark Granovetter and Network as Another Economic Mechanism by W.W. Powell: Granovetter brought our attention to the importance of social relations and networks in genuine market activities, while Powell even identified that some economic activities are more dependent on networks than arm’s length transactions.
  2. Variety of Capitalism Argument by Wolfgang Streeck and Richard Hall. These two scholars argue in a different way, but they both focus on the diversity in ways capitalism works. Hall compares between the liberal economic model and the coordinated economic model, while Streeck argues even within the coordinated economic model of Japan and Germany, diversity exists.
  3. Institutional Complemetarity Agument tries to provide answers to issues in (2), and argues that existing institutions, defined as the rules of games and the enforcement characteristics of rules (Douglas North), synergize, complement, restrict, or react in certain ways with each other, consequently keeping a national way of organizing economic activities different from other countries.
  4. Institutional Economics theories are also quite important to explain the diversity of capitalism. Douglas North proposed a theory, the Path Dependent Development of Institutions, which clearly emphasizes the importance of national institutions, while the transaction cost minimization in market transactions remains as the reasons of keeping past institutions. Institutions are the underlying base of economic activities, while they gradually transform.
  5. Masahiko Aoki, using the game theory, developed the concept of the Nexus of Treaty and Cooperative Games, which explain that the dynamics of economic activities are greatly influenced by non-economic factors which generate a different set of efficiency from allocative one best achieved by the market.

Text Nr. 10nach oben

Fundamentale Erkenntnisse der Soziologie: Zur Systematisierung des Zweifels

1. Breite soziologischer Fragestellungen zwischen ungleichheitstheoretischer und differenzierungstheoretischer Soziologie

Eine Frage nach "fundamentalen Erkenntnissen" drängt nach vereinfachenden Sichtweisen. Gemäß einer derartigen Sichtweise ist die erste fundamentale Erkenntnis als meta-theoretischer, wissenschaftsgeschichtlicher Blick formuliert: Große Teile der Soziologie bilden sich entweder als ungleichheitstheoretische Soziologie (Marx) oder als differenzierungstheoretische Soziologie (Spencer, Durkheim, Simmel, Weber) aus. Diese Unterscheidung in zwei große Soziologien hält sich von den Klassikern bis heute durch. Es gibt dabei eine Spannung zwischen den beiden Richtungen. Da verschiedene Fragen bearbeitet werden, ist die Anschlussfähigkeit beider nicht immer gegeben. Man mag dies einerseits bedauern; andererseits erhält sich u.A. deshalb die Breite soziologischer Fragestellungen.

Diese fundamentale Erkenntnis beinhaltet z.B. auch, dass in der universitären Lehre immer auch auf die Klassiker zurückgegriffen wird.

2. Blick von außen, Systematisierung des Zweifels

Wenn man fundamentale Erkenntnissen genauer beschreiben will, ist die erste Frage, die man sich stellt, ob man über empirische  und/oder theoretische Sachverhalte schreiben soll. Würde man versuchen, die theoretisch und empirisch ausdifferenzierte Landschaft der Soziologie auch nur einigermaßen zu überblicken, wäre die Gefahr des Dilettantismus groß. Um dem zu entgehen, versuche ich ein Kernelement herauszustellen, das einen Grundcharakter der Soziologie beschreibt, der dann in den einzelnen Theorien und empirischen Werkzeugen ganz verschieden ausformuliert wird. Der Grundcharakter besteht darin, dass die Soziologie – als die allgemeinste der Sozial- und Kulturwissenschaften – am stärksten von außen auf Untersuchungsgegenstände gleich welcher Art blickt.

Ob z.B. mit der objektiven Hermeneutik Alltägliches hinsichtlich verdeckter Tiefenstrukturen dekonstruiert wird – um eine Soziologie für Erkenntnisse auf der Mikroebene des einzelnen Handelns zu nennen –; oder ob die Soziologie Organisationen auf verdeckte Widersprüche zwischen Formal- und Aktivitätsstrukturen untersucht oder Konflikte zwischen Vorder- und Hinterbühne (Mesoebene); oder ob ganze Gesellschaften (Makroebene) hinsichtlich ihrer teils intendierten, teils nicht intendierten Differenzierungsprozesse gekennzeichnet werden – z.B. gemäß Weber: den Siegeszug des Kapitalismus durch eine religiöse Haltung, die, nach dem sie dem Kapitalismus zum Siegeszug verhilft, vernichtet wird: immer beobachtet die Soziologie, dass hinter der Oberfläche etwas anderes steckt, dass etwas etwas anderes bedeuten kann. Die Soziologie hat verschiedene Methoden und Techniken erfunden, den Zweifel zu systematisieren.

3. Eigenständigkeit von Strukturen, Systemen, Kollektivgebilden, und ihre Erklärung über den methodologischen Individualismus

Systematisierung des Zweifels beinhaltet, dass die Soziologie Beobachtungsleistungen übernimmt, die ihr im Kanon der Wissenschaften (unter Anderem deshalb) ein Alleinstellungsmerkmal geben.

Dieses Merkmal einer systematischen Beobachtung des Anderen, des Zweifels, realisieren verschiedene Teilsoziologien auf verschiedene Weise. Für die wichtigsten halte ich:

  • Ansätze, die sich mit Kommunikations- und Sinnsystemen beschäftigen, und die das einzelne Handeln differenziert beschreiben
  • Strukturelle Ansätze, die sich mit der Entstehung, der Wirkungsweise und dem Wandel von Institutionen und Organisationen beschäftigen
  • Ansätze, die transintentionale Mechanismen (Greshoff/Kneer/Schimank) aufzeigen, sie als Produkte des aggregierten Handelns mehrerer sowie als Eigenarten von Organisationen (oder anderer aggregierter Gebilde) kennzeichnen.

Die Soziologie hat eine Alleinstellung darin, die Eigenständigkeit von Strukturen, Systemen, Kollektivgebilden zu beschreiben und zu erklären – die anders aussehen und sich anders entwickeln oder "verhalten", als die Handlungen, aus denen sie hervorgehen. Strukturen, Systeme, Kollektivgebilde verhalten sich eigendynamisch, können jedoch nicht durch irgendwie geartete Kollektivgesetze erklärt werden, sondern nur durch Rückgriff auf den methodologischen Individualismus (Esser), der methodisch das einzelne Handeln untersucht. Damit ist angedeutet, dass die Soziologie eine enorme Spannbreite – eben vom einzelnen Handeln, bis hin zu großen kollektiven Gebilden – erfasst, oder einfach gesagt: Sie ist Handlungswissenschaft und gleichzeitig Strukturwissenschaft. In dieser Eigenart muss die Soziologie Befunde von Nachbarwissenschaften berücksichtigen.

Mit dem Verweis auf Strukturen, Mechanismen, Systeme, Kollektivgebilde zeigt die Soziologie, dass hinter "der" Wirklichkeit viele andere Wirklichkeiten liegen. Diese "Kontinente" gilt es zu entdecken. Das Abenteuer der Soziologie ist, dass im Hörsaal, in der Forschung, den Studentinnen und Studenten dieser soziologisch-distanzierende Blick, der von außen kommt, schmackhaft gemacht werden kann – und es macht Spaß, mitzuerleben, wie sich dadurch teilweise der Blick auf das eigene Leben und seine gesellschaftlichen Dimensionen verändert. Auf Grund dieses Von-außen-Beobachten-Könnens, das mittels verschiedener Theorien und Methoden erlernt wird, ist die Ausbildung oder Zusatzausbildung in soziologischen Perspektiven in vielen Berufen Gewinn bringend.

Für die Wissenschaftslandschaft lässt sich beobachten, dass soziologische Perspektiven teilweise von anderen Disziplinen verwendet werden, was u.U. die Existenz einiger Bindestrich-Soziologien massiv gefährdet. So wird z.B. seit den 1980er Jahren die bildungssoziologische Perspektive von der Erziehungswissenschaft "geschluckt".

4. Zu einer speziellen Soziologie: Bildungssoziologie zwischen klassischen und neueren Ansätzen

Im letzten Punkt beschreibe ich ansatzweise eine Teilsoziologie, nämlich die Bildungssoziologie (vgl. Brüsemeister 2008), die sich ebenfalls durch die genannte Elemente (strukturelle Ansätze, transintentionale Mechanismen, Kommunikations- und Sinnsysteme) auszeichnet.

Eine Schwierigkeit, einen Überblick über die Bildungssoziologie zu schreiben – dies gilt für den hiesigen Text, wie auch für mein Buch zur Bildungssoziologie –, bestand insbesondere darin, sowohl Klassiker als auch neuere Ansätze zu berücksichtigen.

Bei der Durchforstung der Literatur ist mir klar geworden, wie gut gerade frühere Erkenntnisse der Soziologie sind. Z.B. haben – um Erklärungsansätze für die Mikroebene zu nennen – Theorien wie die von Mead, die auf die fundamentale Bedeutung der Gestenkommunikation verweisen, ebenso wenig etwas von ihrer Durchschlagskraft verloren, wie (für die Mesoebene) die Mechanismen, mit denen Clark Ende der 1950er Jahre erklärt, mit welchen Praktiken (der Beratung!) Universitäten Studenten von höheren Aspirationen abbringen. Ähnlich etablierte Theoriebausteine gibt es für die Erklärung gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge, genauer: Ungleichheitsstrukturen, wie z.B. von Bourdieu, durch den Verweis auf Mechanismen der Vererbung.

In der Bildungssoziologie kommen zu den bewährten Erkenntnissen Theorieansätze neuerer Art hinzu, wie z.B. Untersuchungen zu institutionellen Diskriminierungen (Flam) oder zur Educational Governance (Altrichter/Brüsemeister/Wissinger). Der zuletzt genannte Ansatz untersucht Handlungen und Strukturen im Bildungsbereich unter dem Paradigma wechselseitiger Abhängigkeiten (Interdependenzen) zwischen Akteuren.

Die Perspektive von Educational Governance ist eine Beispiel dafür, dass bisherige Theorien der Soziologie, z.B. das Verständnis von Institutionen, herausgefordert sind. Um beim Beispiel zu bleiben, handelt es sich jedoch eher um graduelle Verschiebungen von theoretischen Sichtweisen, die ohne das Verständnis klassischer Erklärungsansätze nicht formuliert werden könnten, ja diese wiederbeleben.

Handlungs- und Strukturtheorien werden so in einem "ewigen Strom" formuliert: angestoßen von theoretischen Neuerungsversuchen, und in Rückbesinnung auf bewährte Ansätze der Klassiker.


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